Rahmenbedingungen aus der Politik beeinflussen die Textilindustrie und können bei entsprechender Gestaltung zu mehr Nachhaltigkeit führen. Einige aktuelle politischen Entwicklungen sind hier zusammengefasst: Der Vorstoß zum Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem europäischen Green Deal werden die Textilindustrie herausfordern. Das Textilbündnis, welches sich für bessere Bedingungen in der globalen Textilproduktion einsetzt, steht derzeit selbst unter Kritik bezüglich seines Umgangs mit dem Thema Transparenz in Lieferketten.
Die negativen Auswirkungen von Fast Fashion, übervolle Altkleidercontainer und lediglich ein Recyclinganteil von 1 % der textilen Fasern sind nur eine Auswahl von Thesen, auf welche
Bundesumweltministerin Svenja Schulze Ihren Vorstoß in Richtung Nachhaltigkeit stützt. Sie unterstrich bei der Veranstaltung „Mode- und Textilbranche umweltverträglicher gestalten“ im Rahmen der
Berlin Fashion Week und der Neonyt den dringenden Handlungsbedarf. Nun wurde auf Ihren Vorschlag hin der entsprechende Gesetzentwurf zur Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetz auf den Weg
gebracht.
Die Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die EU-Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht umsetzt, modernisiert das bestehende deutsche Abfallrecht und setzt Schwerpunkte bezüglich
Abfallvermeidung und Recycling. Das allgemeine Ziel des neuen Gesetzes ist eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft.
Für die Textilindustrie interessant wird die „Obhutspflicht“, die Hersteller und Händler stärker in die Verantwortung nimmt. Mit ihr wird es eine rechtliche Handhabe gegen die Vernichtung von
Neuware aus Überhängen oder Retouren geben. Das Bundesumweltministerium arbeitet dazu an einer Transparenzverordnung, die Dokumentationspflichten mit sich bringen wird, um das intransparente
Vorgehen von Herstellern und Händlern bezüglich nicht verkaufter Ware auszuleuchten. Statt der aus ökologisch und ethischer Sicht nicht hinnehmbaren Praxis der Warenvernichtung sollen
Preisreduktionen oder Warenspenden angestrebt werden.
Auch der Vorstoß für die öffentlichen Beschaffungen ist ein deutliches Zeichen der Politik in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Laut derzeit bekannten Eckdaten müssen zukünftig im Einkauf Produkte
bevorzugt werden, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind, solange dabei keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen. Dies könnte den Markt der Rezyklate
ankurbeln und sich damit auch indirekt auf die Textilindustrie auswirken.
Auch das Thema Einweg-Produkte aus Plastik soll im neuen Gesetz aufgegriffen werden. Konkret geht es darum die Umwelt sauberer zu halten und die Kosten der städtischen Reinigungen von der
Allgemeinheit auf die Hersteller zu verlagern. Ob dieses Gesetz in Zukunft auch auf Einwegverpackungen in der Industrie abzielen wird, wird sich zeigen. Die Problematik dieser Verpackungen ist in
der Branche schon länger bekannt. Verstärkt beschäftigt sich beispielsweise seit 2018 eine Gruppe von Unternehmen und Organisationen im Rahmen der Initiative #noplastic mit diesem Thema. Dabei
geht es unter anderem darum den Einsatz der gängigen Polybags zu reduzieren und Alternativen zu entwickeln.
Zu den Pressemitteilungen Nr.166/19 Wirtschaft-Umwelt und Nr. 028/20 Abfallwirtschaft
Das Textilbündnis, welches sich zum Ziel gesetzt hat, die sozialen und ökologischen Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion zu verbessern, wird derzeit bezüglich des Themas Transparenz in Lieferketten kritisiert. Im aktuellen Bericht „Fashion’s Next Trend: Accelerating Supply Chain Transparency in the Garment and Footwear Industry“, der von der Clean Clothes Campaign, Human Rights Watch und andere NGOs verfasst und von Femnet eine deutschsprachige Zusammenfassung erarbeitet wurde, wird das Textilbündnis zusammen mit amfori und der Sustainable Apparel Coalition (SAC) unter der Überschrift „zero Progress“ geführt. Unternehmen werden dagegen gelobt für ihre großen Fortschritte in der Offenlegung von Information in der Lieferkette auf Grundlage des 2016 von neun Arbeits- und Menschenrechtsorganisationen erarbeitetem „Transparency Pledge“, der Mindeststandards für die Transparenz in der Lieferkette definiert.
Der aktuelle Kritikpunkt lautet, dass die drei Organisationen nichts für Transparenz täten, Transparenz in der Lieferkette beim Textilbündnis keine Bedingung für die Mitgliedschaft darstelle und auch nichts über zukünftige Bestrebungen dazu kommuniziert wird.
Zur Zusammenfassung "Transparenz in der Modeindustrie" von FEMNET
Der europäische Green Deal, ein Maßnahmenpaket für einen nachhaltigen und ökologischen Wandel, der zum Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 in Europa führen soll, betrifft auch die
Textilindustrie. Das ehrgeizige Maßnahmenpaket kann mit Investitionen in grüne Technologien, nachhaltigen Lösungen und neuen Chancen für Unternehmen zu Europas neuer Wachstumsstrategie
werden.
Die Liste der Maßnahmen ist lang und betrifft die Textilbranche in vielen Bereichen, z.B. bei den Themen Energie, Kreislaufwirtschaft oder Chemikalien. Hier ein kleiner Überblick.
Bis 2030 werden 50% weniger Treibhausgasemissionen gefordert. Dies wird sich auf die Energieeffizienz von Anlagen und Maschinen wie auch der von Gebäuden auswirken. Der Aktionsplan für
Kreislaufwirtschaft wird sich zunächst um ressourcenintensive Sektoren, wozu die Textilindustrie gehört, widmen. Der Ressourcenverbrauch hat sich seit 1970 verdreifacht und zog Wasserknappheiten
und einen Verlust von Biodiversität nach sich. Um den zu minimieren sollen nachhaltigere Produkte bevorzugt, verminderter Einsatz von Rohstoffen und deren Wiederverwertung vor Recycling
angestrebt werden.
Bis 2030 sollen alle Verpackungen in der EU wiederverwendbar oder recycelt sein. Mit den Maßnahmen wird versucht, eine Abkehr von Einwegprodukten oder Produkten mit begrenzter Verwendung zu
erzielen. Aus angestrebten Änderungen von Verbrauchergewohnheiten können sich neue Geschäftsmodelle z.B. durch Vermietung ergeben und die Chance auf die Entwicklung eines Markts für klimaneutrale
und kreislauforientierte Produkte entstehen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien werden auch Prozesse in der Textilindustrie überdacht werden müssen.
Bis März 2020 soll der Vorschlag für ein europäisches „Klimagesetz“ zur Verankerung des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 stehen. Erst danach wird es mit der strategischen Ausarbeitung richtig
losgehen. Zudem muss die Finanzierung noch endgültig geklärt werden.
Weiterführende Informationen zum europäischen Green Deal
Stimmen aus der Branche zum Green Deal:
„Kurz gesagt: Kein Green Deal geht ohne Textil. Wir haben jede Menge Nachhaltigkeitslösungen. Nehmen Sie nur biobasierte Flammschutzbeschichtungen oder antibakterielle Stoffe im Pflegebereich. Eigentlich gibt es kein einziges Zukunftsthema, bei dem Textil nicht einen Beitrag leisten kann. Ob in der Mobilität durch textile Ladepunkte für kontaktloses Laden oder die Zukunftsstadt mit neuen Textilfassaden, die Energie erzeugen, die verschatten, Licht gezielt lenken, Schadstoffe filtern und dabei auch noch gut aussehen“
Johannes Diebel, Kuratoriumsleiter vom Forschungskuratorium Textil
„Textil ist der Stoff, aus dem die Zukunft ist. Das, was unsere Unternehmen können, wird ganz maßgeblich zu einem Green Deal Textil beitragen, wenn man uns lässt. Dazu gehören bezahlbare
Energiepreise für den produzierenden Mittelstand und ausreichend Mittel für Forschung und Entwicklung.“
Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der
deutschen Textil- und Modeindustrie.
Darüber hinaus fordert der Gesamtverband textil+mode Schutzklauseln für seine energieintensiven mittelständischen Unternehmen.
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