In der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien heißt es, „bis 2030 sind die Textilerzeugnisse auf dem EU-Markt langlebig und recyclingfähig, [und] bestehen größtenteils aus Recyclingfasern …“. Eine Maßnahme zur Umsetzung besteht in dem Verbot der Vernichtung unverkaufter oder retournierter Ware. Umsetzbar sind solche Ziele nur mit gezieltem Fortschritt und Innovationsgeist im Recyclingsektor. Daher haben wir für Sie zwei spannende Updates herausgesucht. Konkret geht es um die Eröffnung der ersten automatisierten Sortier- und Recyclinganlage in Frankreich und eine bahnbrechende Lösung für das Recycling von elastanhaltigen Textilien.
Frankreichs erste industrielle Anlage für automatisierte Sortierung und Recycling von Textilabfällen wurde am 30. November 2023 bei Nouvelles Fibres Textiles in Amplepuis offiziell eingeweiht. Die Anlage ist das Ergebnis einer ehrgeizigen Partnerschaft zwischen dem Textilrecyclingunternehmen Nouvelles Fibres Textiles, dem Abfallsortierspezialisten Pellenc ST und dem internationalen Technologiekonzern ANDRITZ, einem Spezialisten für Maschinen und Verfahren für Textilrecycling.
Diese Partnerschaft leistet einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit Textilabfällen in der EU. Die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien zielt darauf ab, dass Textilerzeugnisse bis 2030 in hohem Maße aus recycelten Fasern bestehen und das Verbrennen und Deponieren von Textilien auf ein Minimum reduziert wird.
Die neue Anlage ist in der Lage, Kleidung automatisch nach Zusammensetzung und Farbe zu sortieren und erfüllt die Anforderungen des Post-Consumer- und Industrieabfallmarktes. Die Anlage entfernt auch harte Bestandteile wie Knöpfe und Reißverschlüsse, um das Material für die Weiterverarbeitung in einer Zerreißmaschine von ANDRITZ vorzubereiten.
Die automatisierte Textilsortieranlage bei Nouvelles Fibres Textiles ist für die industrielle Produktion, für Kundenversuche und -projekte sowie für F&E-Aktivitäten der Partner bestimmt. Textilabfälle werden zu Recycling-Fasern für die Verspinnung, die Vliesstoff- und Verbundwerkstoffindustrie aufbereitet.
Bild: Andritz
Automatisierte Sortierung war das letzte fehlende Glied für die Entwicklung eines vollständigen Ökosystems in Frankreich, in dem die Modeindustrie, Akteure der Sozial- und Solidarwirtschaft, Abfallentsorgungsunternehmen und Textilproduzenten aus verschiedenen Sektoren im Sinne einer textilen Kreislaufwirtschaft zusammenarbeiten.
Eric Boel, General Manager, Nouvelles Fibres Textiles: „Die Eröffnung der neuen Anlage ist ein Meilenstein in unseren Bemühungen, Textilabfälle in Ressourcen umzuwandeln. Eine zweite Aufbereitungsanlage mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen Alttextilien pro Jahr haben wir bereits in Planung.“
Alexandre Butte, General Manager, ANDRITZ Laroche: „Wir sind stolz darauf, Teil des nachhaltigen Wandels zu sein. Mit unseren Technologien und der engen Partnerschaft mit Nouvelles Fibres Textiles und Pellenc ST leistet ANDRITZ einen wichtigen Beitrag zu einer textilen Kreislaufwirtschaft.“
Quelle:
Andritz, Newsroom, veröffentlich 01.12.2023
Beim Tragen bequem, beim Recycling höchst unangenehm: Elastan macht die Wiederverwendung von Textilien schwierig. An der TU Wien wurde dafür eine Lösung gefunden.
Kleidung ist viel zu schade, um sie einfach zu entsorgen und zu verbrennen. Ab 2025 sollen in der ganzen EU Alttextilien gesammelt und recycelt werden. Um mit der gewaltigen Menge an Textilien, die dann anfallen wird, effizient und umweltgerecht umzugehen, sind verbesserte Recyclingverfahren dringend notwendig.
Schwierig ist das Recycling von Mischtextilien – ganz besonders dann, wenn sie Elastan enthalten. An der TU Wien wurden daher nun Methoden entwickelt, mit denen man Elastan nicht nur besser und umweltfreundlicher als bisher detektieren kann, sondern es dann auch noch auf schonende Weise abtrennen kann, um gleichzeitig andere Fasern unbeschädigt zurückzugewinnen. Entscheidend dabei ist es, die passenden Lösungsmittel zu finden.
Elastan, der Maschinenkiller
„Viele Materialien, die wir zur Herstellung von Kleidung verwenden, sind als reines Material problemlos recyclierbar – etwa Baumwolle, Polyester oder Polyamid“, erklärt Emanuel Boschmeier, der derzeit am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien an einer Dissertation zu diesem Thema arbeitet. „Doch Elastan, selbst wenn es nur in geringen Mengen beigemischt ist, macht das bisher übliche Recycling mit herkömmlichen Methoden unmöglich.“
Elastan ist derart dehnbar, dass die Reißmaschinen, mit denen Textilien üblicherweise vor dem Recycling zerkleinert werden, nicht damit zurechtkommen. Elastan führt zu Verschmutzungen, Verstopfungen und Verklumpungen in den Maschinen.
Zuverlässig detektieren
Man braucht daher in einem ersten Schritt eine zuverlässige und schnelle Methode, um den Elastangehalt in Textilien überhaupt zuverlässig zu messen. „Bei unseren Recherchen stellten wir fest, dass es eine solche Methode bisher nicht gab“, sagt Emanuel Boschmeier. „Die üblichen Testmethoden arbeiten mit Lösungsmitteln, die als gesundheitsschädigend eingestuft werden, außerdem sind sie äußerst zeitintensiv.“
Im Labor von Vasiliki-Maria Archodoulaki wurde ein neuartiges „Elastan Quantification Tool“ entwickelt, eine Detektionsmethode, bei der man misst, wie viel Elastan tatsächlich in einem Kleidungsstück ist. Die Detektionsmethode basiert auf der Spektroskopie im mittleren Infrarot, welche gemeinsam mit Bernhard Lendl für die Fragestellung optimiert wurde.
Fasern sortenrein trennen
Der nächste Schritt war, eine Methode zu finden, Elastan von anderen Fasern zu trennen. „Wir experimentierten mit unterschiedlichen Lösungsmitteln und führten theoretische Untersuchungen durch. So stießen wir schließlich auf ein ungefährliches Lösungsmittel, das ganz selektiv das Elastan entfernt, und die wiederverwendbaren Fasern intakt lässt“, sagt sein Betreuer Andreas Bartl. Die Methode wurde bereits zum Patent angemeldet. Man kann auf diese Weise Materialien wie Polyester oder Polyamid fast vollständig zurückgewinnen – und sogar das Lösungsmittel selbst kann zurückgewonnen und weiterverwendet werden.
Auch wenn Wolle mit Polyester und Elastan kombiniert vorliegt, lassen sich die einzelnen Bestandteile nutzen: Die Wolle wird mit Enzymen unter milden, ungefährlichen Bedingungen abgebaut. Dabei entsteht ein Aminosäurecocktail, der etwa in der Kosmetikindustrie oder in der Düngemittelproduktion genutzt werden kann. Danach trennt man das Elastan ab und recyclingfähiger Polyester bleibt übrig.
Forschungspreis für Emanuel Boschmeier
Die Forschungsarbeit wurde als Teil des EU-Projekts SCIRT (System Circularity and Innovative Recycling of Textiles) durchgeführt. Emanuel Boschmeier erhielt für seine Ergebnisse den INI-Award für Innovation und Nachhaltigkeit im Ingenieurwesen, vergeben vom Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein (ÖIAV) und der Industriellenvereinigung (IV).
Quelle:
Pressemeldung, TU Wien, 04.12.2023
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