regenerative baumwolle auf dem vormarsch

Regenerative Baumwolle – das neue Buzz-Wort. Der Fokus auf vorausschauende, resiliente Anbaumethoden steht mehr denn je im Zentrum einer zukunftsfähigen Baumwollindustrie. Wir wollten verstehen, was regenerative Baumwolle gedeutet, wie sich diese von biologisch angebauter Baumwolle unterscheidet und welche aktuellen Entwicklungen diesbezüglich die Branche zu erwarten hat.

 

Unsere Faktensammlung zu regenerativer Baumwolle.

 

  

Unter regenerativer Baumwolle, bzw. regenerativer Landwirtschaft versteht man eine Vielzahl von Anbaupraktiken, die jedoch alle das gleiche Ziel haben – die Wiederherstellung und Erholung von Land und der biologischen Vielfalt. Regenerative Landwirtschaft zielt also darauf ab, das Ökosystem zu schützen, dabei ist der wichtigste Aspekt die Gesundheit des Bodens.

 

Erzielt wird dies beispielsweise durch:

  • Deckfruchtanbau (eine weitere Frucht, Untersaat, wird unter der Hauptfrucht, Deckfrucht, gesät. So ist nach der Ernte der Deckfrucht weiterhin eine gut ausgebildete Vegetationsdecke vorhanden)
  • Fruchtfolge (Abwechslung der Bepflanzung auf demselben Feld)
  • Rotationsbeweidung (verkürzte Weidezeit pro Fläche bei einer erhöhten Anzahl von Flächen)
  • Ausbringung von Kompost
  • Anpflanzung einheimischer Arten
  • Schaffung von Korridoren für Wildtiere (zwischen den Feldern)
  • Verzicht auf Pestizide und Chemikalien

Die folgende Abbildung zeigt, wie diverse Anbau-Maßnahmen bei der konventionellen, regenerativen und biologischen Landwirtschaft abgedeckt werden. 

Quelle: EIT-Food Regenerative Agriculture Manual „Introduction“

Hierbei fällt auf – biologisch ist in regenerativ bereits enthalten! Insbesondere deshalb sehen wir bei it fits Regenerative Baumwolle als den landwirtschaftlichen Anbaustandard der Zukunft. Standardsysteme in diesem Bereich gibt es bereits von Control Union (REGEN1, Regeneragri) und der Regenerative Organic Alliance (Regenerative Organic Certified). Stoßen diese Logos momentan noch auf fragende Gesichter, werden sie in Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen. Dabei darf eine Sache nicht aus den Augen verloren werden – die Expertise und menschliche Zusammenarbeit mit den Farmern.

 

 

Mit dem Regenerative Cotton Standard (RCS) bringt die Aid by Trade Foundation (AbTF) den ersten regenerativen Baumwollstandard auf den Markt, der explizit die Interessen und das Wissen von Kleinbäuer:innen in das Zentrum der Produktion stellt. Damit erweitert die AbTF ihr Produktportfolio an Baumwollstandards (Cotton made in Africa und Cotton made in Africa Organic) zukunftsweisend und bietet sowohl Textilunternehmen als auch Baumwollbäuer:innen einen holistisch neuen Ansatz, um auf die wachsenden Herausforderungen in der Baumwoll- und Textilindustrie zu reagieren.

Der Regenerative Cotton Standard ist ein Standard, der sowohl Kleinbäuer:innen dabei hilft, resilienter gegenüber den Folgen des Klimawandels zu sein als auch Unternehmen eine Lösung dafür bietet, die Produktion von Baumwolle als wesentlicher Rohstoff ihrer Textilien zukunftssicherer zu machen. Er vereint auf innovative Weise den Erfahrungsschatz der erfolgreichen AbTF-Baumwollstandards mit neuen Ansätzen auf dem Gebiet der regenerativen Landwirtschaft und des Engagements mit ländlichen Gemeinschaften.

 

Im Zentrum des RCS stehen die Kleinbäuer:innen und die Einbindung ihres reichen landwirtschaftlichen Wissens in eine Baumwollproduktion, die natürliche Regenerationsprozesse unterstützt und verstärkt. Der Standard kombiniert zu diesem Zweck bewährte Herangehensweisen zur Verbesserung menschenrechtlicher und ökologischer Aspekte in der Baumwollproduktion mit der Förderung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel, der aktiven Einbindung von kleinbäuerlichen Gemeinschaften und Themen des Tierwohls.

Den kleinbäuerlichen Gemeinschaften ermöglicht der Regenerative Cotton Standard mehr als nur einen optimalen Marktzugang. Der Standard unterstützt landwirtschaftliche Gemeinschaftsprojekte und die damit einhergehenden Chancen gegenseitigen Lernens. Mit der Bewirtschaftung der Felder nach dem RCS-Standard werden Farmer:innen dabei unterstützt, bewährte Anbaupraktiken wie erweiterte Fruchtfolgen, optimierte Biomasse-Nutzung, Mischkulturen und Agroforstsysteme anzuwenden. Das ermöglicht ihnen unter anderem, die Klimaresilienz und Fruchtbarkeit ihrer Anbauflächen zu erhöhen und ausgelaugte Felder wieder landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Um die Farmer:innen gegen Ernteausfälle einzelner Kulturen zu wappnen, unterstützt sie der neue Standard ausdrücklich bei der Diversifizierung der Fruchtfolgen und der Anbauprodukte.

 

Darüber hinaus bietet der Regenerative Cotton Standard allen beteiligten Akteuren der Textilkette den Vorteil die wachsenden Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichtspflichten erfüllen zu können: Händler und Marken profitieren davon, dass hinter der RCS-Baumwolle das bewährte Hard Identity Preserved-System von Cotton made in Africa steckt, das mit seinem Online Tracking System Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette schafft.

 

Für die vor Ort verantwortlichen Umsetzungsorganisationen (Managing Entities) hält der RCS den Marktzugang für ein gefragtes Produkt bereit. Da der RCS-Standard eine enge Kooperation und kontinuierliche Einbindung der Farmer:innen sowie ihrer Gemeinschaften erfordert, ist die Loyalität zur Management-Einheit groß - und somit das vermarktbare Angebot an Baumwolle gut planbar und gesichert. RCS bietet ihnen darüber hinaus finanzielle Unterstützung zur Ausweitung ihrer Beratungsarbeit für Kleinbäuer:innen.

 

„Wir freuen uns, dass der Regenerative Cotton Standard ab sofort die Standard-Familie unserer Stiftung bereichern wird“, sagt Tina Stridde, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation. „Wir sind uns sicher, dass der RCS die hohen Ansprüche unserer Kunden erfüllen wird. Denn dieser Standard fördert nicht nur die Produktion qualitativ hochwertiger Baumwolle, er überzeugt auch in sozialer und ökologischer Hinsicht. Entsprechend verzeichnen wir bezüglich RCS bereits großes Interesse von bestehenden, aber auch von neuen Partnern.“

 

 

Ein anderes Konzept, als mit Zertifizierungssystemen zu arbeiten, wurde von einer Kooperation der Laudes-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Helvetas Tansania angekündigt. Das Programm für eine regenerative Produktionslandschaft soll in den Regionen Singida und Simiyu in Tansania ein widerstandsfähiges landwirtschaftliches Produktionssystem schaffen, das die natürlichen Ressourcen und die biologische Vielfalt schützt.

 

Bei dem Programm handelt es sich um eine Zusammenarbeit mehrerer Interessengruppen, die gemeinsam mit Bauerngemeinschaften sowie Akteuren des öffentlichen und des privaten Sektors an der Verwirklichung von Zielen auf Landschaftsebene arbeiten werden, die sich auf die komplexen und miteinander verknüpften Themen Klima, Natur und Mensch konzentrieren.

 

"Die Antwort liegt in einem ganzheitlichen, ortsbezogenen Ansatz, der über die Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe und die Konzentration auf einen einzigen Rohstoff hinausgeht und alle Probleme einbezieht, die sich auf die landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten auswirken, einschließlich Entwaldung, Überweidung, Missbrauch von Wasserquellen, Bodenerosion und Verlust der biologischen Vielfalt", sagt Hendrik Buermann, Projektleiter der Regenerative Production Landscape Collaborative.

 

Dieses Landschaftsprogramm, das auf einer integrierten Strategie zur Wiederherstellung von Landschaften und Ökosystemen basiert, soll den Übergang von einem Modell, das degradiert, auslaugt und verschmutzt, zu einem innovativen, nachhaltigen Agrarwirtschaftsmodell ermöglichen, das bewahrt, wiederherstellt und regeneriert.

 

Anita Chester, Leiterin des Bereichs Mode bei der Laudes-Stiftung, fügt hinzu: "Wir bauen auf einer soliden Grundlage auf, die die Region zum größten Erzeuger von Biobaumwolle in Afrika gemacht hat, wobei über 60 000 Kleinbäuer:innen sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich profitieren. Diese jüngste Investition zielt auf ein innovatives Multi-Stakeholder-Governance-Modell ab, um die Erzeuger zu stärken, die Gemeinschaften einzubinden und Akteure des öffentlichen und privaten Sektors einzubinden, um nachhaltige Geschäftsmöglichkeiten für die Region zu schaffen."

 

Das Programm wird die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten in der Landschaft fördern:

  • Kleinbauern werden eine regenerative Landwirtschaft betreiben, in integrative Geschäftsmodelle eingebunden sein, ihren Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt leisten und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel
  • Dorfausschüsse werden Lösungen für die Wiederherstellung ihres Landes und ihrer Wasserquellen finden und in die lokalen Raumplanungsprozesse integriert
  • In den Raum- und Umweltaktionsplänen der Bezirke sind Maßnahmen auf Ebene der Landwirte und der Gemeinden enthalten
  • Der Privatsektor arbeitet aktiv mit Landwirten und Gemeinden an Landwirtschaftsmodellen, die das Land regenerieren und in deren Wohlstand investieren
  • Organisationen der Zivilgesellschaft arbeiten unterstützend und erleichtern Maßnahmen auf Feldebene, wie z.B. groß angelegte Baum- und Landschaftssanierungsmaßnahmen
  • Investoren und Geldgeber werden Möglichkeiten geboten für Investitionen in nachhaltige, zukunftsfähige Projekte

 

fazit

Zwei nachhaltige Baumwollanbau-Methoden mit dennoch unterschiedlichen Maßnahmen und Ansätzen:

Bio-Baumwolle

 

Ziel:  kontrolliert biologische Anbau (mit Zertifizierung), Verbot von synthetischen Pestiziden, Düngemitteln und genetisch verändertes Saatgut.

 

 

Fokus auf: Minimierung der Bodenerosion, Kompostierung, Fruchtwechsel, natürliche Schädlingsbekämpfung und Düngemittel soll die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit erhalten werden. Biodiversität durch Pufferzonen, natürliche Nützlinge.  Ökologisches Gleichgewicht und verbesserte Arbeitsbedingungen, schadstofffreie Fasern.

 

 

 

 

 

 

 

Risiken: Betrug und Täuschung, da Zertifizierung aufwendig und teuer. Fehlende Regulierung für Kennzeichnung mit „bio/organic“ in manchen Ländern. Die Green Claims Directive wirkt dem künftig entgegen. Ernte-Verluste bei der Umstellung, Arbeitsaufwendig, hohe Kosten für Zertifizierung sind eine Hürde. Bei steigender Nachfrage die Gefahr von Abholzung der Wälder oder Vertreibung lokaler Gemeinschaften.

Regenerative Baumwolle

 

Ziel: widerstandsfähige und fruchtbare Böden schaffen, die Kohlenstoff binden, das Wasserrückhaltevermögen verbessern und ein vielfältiges pflanzliches und mikrobielles Leben unterstützen können.

 

Fokus auf: Förderung der Bodengesundheit, Artenvielfalt und Kohlenstoffbindung zur ganzheitlichen Verbesserung des lokalen Ökosystems steht im Mittelpunkt der Bemühungen. Besonderes Augenmerk wird auf die Gesundheit und Regeneration des Bodens gelegt, indem Praktiken wie Direktsaat, Deckfruchtanbau und Rotationsbeweidung angewendet werden. Der Ansatz zur Förderung der biologischen Vielfalt ist umfassender und setzt sich für die Wiederherstellung und den Schutz kompletter Ökosysteme ein. Dies beinhaltet die Anpflanzung einheimischer Arten, die Schaffung von Korridoren für Wildtiere sowie die Förderung der Gesundheit von Bestäubern und anderer Wildtiere in und um Baumwollfelder.

 

Risiken: Experten empfehlen, bei regenerativer Anbaumethode nicht auf Zertifizierung zu setzen, da lokale Erfordernisse/Anpassungen dadurch verhindert werden könnten. Damit ist eine Herausforderung für Transparenz und Nachweisbarkeit noch zu lösen.