Mit der GIZ und it fits in Nahost - Pilotprojekt

Was sich aktuell in Nahost abspielt, ist ein ständiges Eskalieren eines sich jahrzehntelang ziehenden Konflikts, der nicht zu bewältigen zu sein scheint. Da sich der Textilsektor für Palästina als einer der wichtigsten in Bezug auf Produktion, Investitionen, Beschäftigung und Exporte abzeichnet, bietet er gute Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen, um deren Stabilität und wirtschaftliche Unabhängigkeit sicherzustellen.

 

Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeiten wir an einem Projekt in den Palästinensischen Gebieten, zur Entwicklung des Privatsektors (PSDP). Die Aufgabe von it fits dabei ist, zunächst einen lokalen Konfektionsbetrieb für eine GOTS-Zertifizierung vorzubereiten.

Am 07. Mai 2021 setzte die Hamas Israel ein Ultimatum, deren Polizeipräsenz am Tempelberg und aus Sheik Jarrah zu beenden. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen von Palästinenser und israelischen Sicherheitskräften am Tempelberg in Jerusalem. Viele Palästinenser demonstrierten, weil die Polizei Bereiche der Altstadt und Zugänge zum Gelände der Aksa-Moschee abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern.

Am 10. Mai 2021 begann der Beschuss Israels durch die Hamas, der bis zum 15. Mai andauerte und laut israelischem Militär rund 2000 auf Israel abgefeuerte Raketen mit sich zog. Israels militärische Antwort darauf folgte mit Luftangriffen auf alle Polizeigebäude im Gazastreifen sowie Häuser wichtiger Hamas-Vertreter. Europaweite Proteste folgten. Nach über einer Woche Krieg mit Israel schwiegen die Waffen vorerst wieder, bevor es zu einer weiteren Eskalationen kam. Im Gazastreifen wurden mehr als 250 Menschen getötet. Dabei trifft dieser Konflikt alle Palästinenser*innen, auch die, die nicht auf der Seite der Hamas stehen.

 

Grundsätzlich ist nun wichtig, dass ein politisches Fundament wiederhergestellt wird, damit über eine mögliche Zwei-Staaten-Lösung gesprochen werden kann. Da sich dieser Konflikt inzwischen schon seit über mehr als 70 Jahre zieht, scheint vor allem in Hinblick der aktuellen Begebenheiten, diese mögliche Lösungsoption nach wie vor weit entfernt zu sein. 

Wo kommen wir ins Spiel?

Neben dieser aufkommenden Hoffnungen auf eine Zwei-Staaten-Lösung, kommt jedoch die Frage auf, was aktuell schon geschehen kann und muss, um den Menschen vor Ort zu helfen. Durch die vielen Anschläge wurde etwa die gesamte Infrastruktur Palästinas zerstört. Wichtig ist vor allem Unterstützung der vielen kleinen und mittelständigen Produktionsfirmen, für die auf dem internationalen Markt großes Potential steckt. Die Auswirkungen auf Handel und wirtschaftliche Beziehungen der letzten 70 Konfliktjahre und durch die Pandemie-bedingten Einschränkungen bekamen wir in unserem Projekt mit der GIZ allerdings sehr deutlich zu spüren.

Das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in den Palästinensischen Gebieten umgesetzte und vom Bundesministerium für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierte Programm zur Entwicklung des Privatsektors (PSDP) zielt darauf ab, die wirtschaftliche Entwicklung in den Palästinensischen Gebieten zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit palästinensischer Unternehmen zu verbessern, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liegt. Im Mai 2018 startete die vierte Phase des PSDP, die auf den bisherigen Erfolgen der GIZ aufbaut und sich auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Westjordanland, Ostjerusalem und dem Gazastreifen durch einen umfassenden und partizipativen Ansatz konzentriert.
In Absprache mit wichtigen Sektorakteuren und dem palästinensischen Ministerium für Nationale Wirtschaft (MNE) unterstützt und fördert die GIZ KMU in ausgewählten Sektoren und Standorten entweder durch direkte Zusammenarbeit oder über zwischengeschaltete Organisationen wie spezialisierte NGOs und Organisationen des Privatsektors.

Im Oktober 2020 starte die GIZ das Pilotprojekt im Textilsektor, in dem it fits den Auftrag erhielt, einen Produzenten in Palästina für eine GOTS-Zertifizierung vorzubereiten.

Warum der Fokus auf dem Textilsektor liegt?

Der Textilsektor stellt einen der wichtigsten Industriezweige in Bezug auf Produktion, Investitionen, Beschäftigung und Exporte für Palästina dar. Vor allem bei der Bereitstellung von angemessenen und stabilen Arbeitsplätzen für mehr als 12.000 Palästinenser spielt der Textilsektor hier mit seinen 1.942 Herstellern eine wichtige Rolle. In den meisten Fällen werden die Rohmaterialien aus verschiedenen Ländern wie der Türkei, China und Indien importiert, so ist es auch in unserem Pilotprojekt. Die Produkte werden vor allem auf dem lokalen Markt verkauft, finden aber auch auf internationaler Ebene einen Absatz, wobei Israel derzeit noch der wichtigste Markt ist.

Erste Unternehmen aus Europa entdecken den Standortvorteil Palästinas mit seiner direkten Nähe zum europäischen Markt. 

Durch den wieder ausgebrochenen Kriegszustand im Mai scheint die Sicherstellung dieses Potentials dringender als zuvor, vor allem  hinsichtlich einer wirtschaftlichen Unterstützung in Zeiten der Instabilität und Unsicherheit.

worum geht es in unserem GIZ Pilot-Projekt?

Die GIZ hatte sich aufgrund der langjährigen Expertise zu Zertifizierungsprozessen für die Zusammenarbeit in diesem Pilotprojekt mit Katharina Schaus als Gutachterin entschieden. it ts – Organic Textile Partner hatte den Auftrag, ein ausgewähltes Unternehmen auf eine GOTS-Zertifizierung vorzubereiten, in welchem für eine Deutsche Marke die erste konforme Musterkollektion hergestellt werden sollte.

 

Hinter einem Zertifizierungsprozess steckt bei Weitem mehr, als so manche denken. Zum einen haben wir den involvierten Produzenten mit Fachwissen zum Zertifizierungsablauf und bezüglich der genauen GOTS-Anforderungen geschult.

In Form einer ausführlichen Gap-Analyse wurden Informationen und Daten über das Unternehmen, die Produkte, die Prozesse und die Lieferanten sowie Standorte erhoben und ausgewertet. Sehr umfangreich haben wir an den Aspekten der sozialen Kriterien gearbeitet. Damit ist ein Teil der GOTS-Zertifizierungsanforderungen bereits erfolgreich vorbereitet worden.

Parallel dazu haben wir geeignte Zeritifizierungsorganisationen kontaktiert und ausgewählt, denn nicht alle führen Audits in Palästina durch. Der erste zu erreichende Meilenstein war, die Zertifizierungsanträge für unseren Produzenten bei den ausgewählten Zertifizierungsorganisationen einzureichen. Somit kann der Zertifizierungsprozess gestartet werden.

 

Durch die pandemisch bedingten Restriktionen mussten wir stets flexible bleiben und die Projektinhalte den Gegebenheiten anpassen. Aufgrund der Reisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen waren persönliche Treffen bisher leider nicht möglich, so dass wir einen Austausch durch Online-Meetings und viel Kommunikation per Email pflegten.

 

Unser Ziel ist die GOTS Zertifizierung dieses Herstellers in Palästina abzuschließen, was ein persönliches Zusammentreffen dann denoch nötig macht, um auch die letzten Details und offenen Punkte zu Umweltmanagement, Risikomanagement und Rückverfolgbarkeit klären und implementieren zu können.

 

Diesem Pilotbeispiel werden hoffentlich weitere Firmen folgen. Die GOTS-Zertifizierung dieser Unternehmen bietet ihnen ein solides Fundament einer nachweislich nachhaltigen Produktionsstätte mit sicheren Arbeitsbedingungen, das in der Lage ist GOTS-Produkte herzustellen. Dies wird langfristig zu neuen wirtschaftlichen Kooperationen führen und die Unternehmen stärken, sich auch auf anderen Märkten weiterentwickeln zu können. Unser Schwerpunkt der bisherigen Arbeit war es, den Zertifizierungsprozess eines lokalen Produzenten zu begleiten und auf den Weg zu bringen. Dabei haben wir zwar den ersten Meilenstein geschafft und den ersten lokalen Hersteller für eine Zertifizierung registrieren können, aber es liegen noch weitere Aufgaben vor uns. Auch wenn das vorerst ein kleiner Schritt ist, ist es doch der Beginn einer Unabhängigkeit und die Möglichkeiten, nachhaltiges Wirtschaften voranzutreiben. Da sich Nachhaltigkeit im Textilsektor auch politisch und rechtlich immer mehr zu einer Anforderung oder gar Mindestvoraussetzung etabliert, statt einem einfachen Nice-to-have, liegt hier das Potential in schon gestellten Weichen für Stabilität und zukünftige Entwicklungen.